Sachsen-Anhalts Innenministerium hat heute den Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2020 veröffentlicht. In diesem weist der Verfassungsschutz vor allem auf folgende Aspekte hin:
1. Extremisten instrumentalisieren die Corona-Pandemie in zweierlei Hinsicht zur Verbreitung ihrer Ideologie. Zum einen versuchten insbesondere Rechtsextremisten und Angehörige der Reichsbürgerszene, die diversen Anti-Corona-Proteste für sich zu vereinnahmen. So riefen mehrere rechtsextremistische Protagonisten und Organisationen dazu auf, sich organisationsübergreifend an den Demonstrationen gegen staatliche Eindämmungsmaßnahmen zu beteiligen und auch bei Kundgebungen außerhalb der rechtsextremistischen Szene Präsenz in der Öffentlichkeit zu zeigen. Zum anderen inszenierten sich Rechtsextremisten und Linksextremisten als „Kümmerer“, um über ihre „Hilfsangebote“ die eigene Ideologie zu verbreiten.
2. Im Verfassungsschutzbericht 2020 wird das in Schnellroda im Saalekreis ansässige „Institut für Staatspolitik“ (IfS) erstmals als erwiesene extremistische Bestrebung ausgewiesen. Rassistische und biologistische Sichtweisen prägen das IfS. Sein Wesenskern ist der „Ethnopluralismus“ und eine darauf beruhende Diskriminierung ausgewählter Personengruppen, vor allem Flüchtlinge und Muslime, denen pauschal negative Eigenschaften zugeschrieben werden. Das IfS ist ein führender Akteur im Bereich der „Neuen Rechten“. Diesem informellen Netzwerk der „Neuen Rechten“ gehören verschiedene Organisationen und Einzelpersonen an, die mit unterschiedlichen Strategien darauf hinarbeiten, antiliberale sowie antidemokratische Positionen in Gesellschaft und Politik durchzusetzen.
3. Im Bereich der Spionageabwehr sind zunehmend hybride Bedrohungen feststellbar. Diese zielen darauf ab, das gesellschaftliche und politische Miteinander in einem Land nachhaltig zu schwächen oder zu stören und die öffentliche Meinungs- und Willensbildung zu beeinflussen. Ein vielfach genutztes Instrument sind die sogenannten Desinformationskampagnen. Fremde Staaten und ihre Nachrichtendienste versuchen so auf verschiedenen Wegen, vor allem mit Propaganda- oder Desinformationskampagnen im Internet, die eigenen politischen Systeme als der westlichen Demokratie überlegen darzustellen.
Innenministerin Dr. Tamara Zieschang:
„Seit Beginn der Corona-Pandemie zeigt sich, dass Verfassungsfeinde die damit verbundenen Ängste und Sorgen der Menschen für eigene Zwecke missbrauchen, um die Spaltung der Gesellschaft gerade in unsicheren Zeiten voranzutreiben. Dabei agitieren sie gegen den Staat und bieten plakative Pseudolösungen an. Mit komplexen Zusammenhängen setzen sie sich nicht auseinander, sondern verweisen auf angeblich Schuldige, denen sie alle Probleme anlasten. Wir haben die extremistischen Szenen auch im Kontext der Corona-Proteste fortlaufend im Blick. Das Informationsangebot der Verfassungsschutzbehörde hilft dabei, die für die Sicherheit des Landes Sachsen-Anhalt notwendigen Maßnahmen rechtzeitig zu ergreifen.“
Insgesamt beziffert der Verfassungsschutz das extremistische Personenpotenzial in Sachsen‑Anhalt auf 2.970. Hiervon entfallen etwa 1.230 Personen auf den Bereich des Rechtsextremismus. Dies entspricht in Summe dem Jahr 2019, innerhalb der rechtsextremistischen Szenen gab es jedoch leichte Veränderungen. Es stieg die Anzahl der unstrukturierten, meist subkulturell geprägten Rechtsextremisten, während die Mitgliedszahlen der rechtsextremistischen Parteien sanken.
Für den Linksextremismus nennt der Verfassungsschutz 590 Anhänger, ein Anstieg um 40 Personen, der vor allem aus dem Mitgliederzuwachs der „Roten Hilfe“ resultiert.
Das Personenpotenzial bei den Islamisten ist mit 400, das der Reichsbürgerszene mit 500 Anhängern jeweils stabil geblieben.
Der komplette Verfassungsschutzbericht 2020 sowie die Berichte der Vorjahre sind im Internet abrufbar.