In seiner Regierungserklärung zum Thema „Gemeinsam durch die Krise – Land, Bund und Europa unterstützen Wirtschaft, Kommunen und Menschen in Sachsen-Anhalt“ hat Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff umfangreiche Unterstützungsmaßnahmen zugesagt.
In seiner Regierungserklärung zum Thema „Gemeinsam durch die Krise – Land, Bund und Europa unterstützen Wirtschaft, Kommunen und Menschen in Sachsen-Anhalt“ hat Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff umfangreiche Unterstützungsmaßnahmen zugesagt. „Die Landesregierung wird wegen der vielfältigen und großen Herausforderungen, vor denen unsere Bürgerinnen und Bürger, unsere Kommunen und die Unternehmen in unserem Land angesichts der Folgen des verbrecherischen Angriffskrieges der Russischen Föderation gegen die Ukraine stehen, alles ihr Mögliche zu deren Entlastung beitragen. Wir werden kurzfristigen Härten effektiv entgegenwirken, Wohlstandsverluste so gering wie möglich halten und dazu beitragen, dass wir als Land wirtschaftlich aber auch gesellschaftlich gestärkt aus dieser Krise hervorgehen.“
„Insgesamt“, so Haseloff, „wird die Landesregierung im kommenden Haushaltsjahr zur Abmilderung der Folgen des Krieges in der Ukraine rund 1,5 Milliarden Euro bereitstellen. Das veranschaulicht, dass das Land auch in dieser Situation handlungsfähig ist und bleibt.“
Haseloff sieht in der derzeitigen Krise aber auch eine Chance, „da sie das Potential hat, notwendige Transformationsprozesse in Wirtschaft und Gesellschaft zu beschleunigen“.
Regierungserklärung
von Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff im Landtag von Sachsen-Anhalt am 18. November 2022
Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
die Landesregierung wird wegen der vielfältigen und großen Herausforderungen, vor denen unsere Bürgerinnen und Bürger, unsere Kommunen und die Unternehmen in unserem Land angesichts der Folgen des verbrecherischen Angriffskrieges der Russischen Föderation gegen die Ukraine stehen, alles ihr Mögliche zu deren Entlastung beitragen. Wir werden kurzfristigen Härten effektiv entgegenwirken, Wohlstandsverluste so gering wie möglich halten und dazu beitragen, dass wir als Land wirtschaftlich aber auch gesellschaftlich gestärkt aus dieser Krise hervorgehen.
Vor genau 38 Wochen, am 25. Februar 2022, habe ich an dieser Stelle in einer Regierungserklärung einerseits den verbrecherischen Angriff der Russischen Föderation auf die Ukraine einen Tag zuvor verurteilt und unsere Solidarität mit der Ukraine betont. Ich habe andererseits bereits zu diesem Zeitpunkt darauf hingewiesen, dass dieser Konflikt auch erhebliche Auswirkungen auf Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen, Kommunen und viele andere Akteure in unserem Bundesland haben wird. Zu groß war die Abhängigkeit insbesondere unserer Wirtschaft von den Rohstofflieferungen, insbesondere von Erdgas und Erdöl aus Russland.
Bereits damals war absehbar, dass es viel Kraft verlangen und einen langen Atem erfordern würde, die Energieversorgung in Deutschland zu sichern. Auch habe ich davor gewarnt, dass mit diesem Krieg eine deutliche Preissteigerung bei den Rohstoffimporten einhergehen würde, die mindestens kurz- und mittelfristig alle Bürgerinnen und Bürger sowie jedes Unternehmen verspüren und die Inflation insgesamt befeuern würden.
Die zunächst künstliche Verknappung der Gaslieferungen durch Russland, nahezu leere Gasspeicher, dann Ende August die komplette Einstellung der Gaslieferungen, am 26. September der mysteriöse Anschlag auf die Nord-Stream-Pipelines, Spekulationen am Markt sowie ein erhöhter Gasverbrauch aufgrund der Strommarktkrise in Frankreich führten dann tatsächlich zu einer Erhöhung des Gaspreises um ein Vielfaches. Am 1. September war der Gaspreis für Neukunden im Vergleich zu den Tagen direkt vor dem russischen Angriff mehr als dreimal so hoch.
Auch der Strompreis erreichte, nicht zuletzt aufgrund des Merit-Order-Prinzips, im negativen Sinne neue Höhen und hat sich an der Leipziger Strombörse EEX zeitweise vervierfacht. Auch andere Energieträger wie Öl oder Holzpellets verzeichneten in diesem Jahr deutliche Preisanstiege.
Der Bund, die Länder, die Kommunen, die Energieversorger und Unternehmen sowie Bürgerinnen und Bürger leisten ihren Beitrag, dass die Energieversorgung in diesem Winter aller Voraussicht nach gesichert sein wird. Die Bundesnetzagentur sieht die Versorgungssicherheit in Deutschland als derzeit weiter gewährleistet an – nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass die deutschen Gasspeicher aktuell vollständig gefüllt sind und energieintensive Produktionen vielfach gedrosselt laufen. Zudem ist der Gasverbrauch auch im privaten Sektor rückläufig. Industriekunden haben mit wenigen Ausnahmen durchgängig im gesamten Jahresverlauf weniger Gas verbraucht als im Vorjahr. Ein ähnliches Bild zeigt sich für die Haushalts- und Gewerbekunden.
Diese Zahlen dürfen jedoch nicht dazu verleiten, nachlässig zu werden. Die Sparanstrengungen müssen beibehalten werden, damit in diesem Winter die Gasversorgung sichergestellt werden kann und sich auch die gesellschaftlichen Kosten im Rahmen halten. Diese Aussagen beziehen sich auch auf Erdölprodukte, inklusive Diesel und Benzin.
So ist es offensichtlich, dass in einer Situation, in der es zu Engpässen mit Gas kommt und zugleich das Angebot an Gas auf dem Weltmarkt begrenzt ist, eine stark steigende Nachfrage den Preis und damit auch die Kosten für Energie in Deutschland deutlich erhöhen würde.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
die hohen Energiekosten belasten die privaten Haushalte nicht nur in Form höherer Strom- und Heizkosten. Sie führen auch in nahezu allen Konsum- und Freizeitbereichen zu einer zum Teil deutlichen Teuerung und bedrohen zugleich viele Arbeitsplätze. So lag die Inflationsrate in Deutschland im Oktober 2022 bei über 10 Prozent und damit auf dem höchsten Stand seit 1951. Besonders betroffen sind Energie und Nahrungsmittel mit Teuerungsraten von 43 bzw. 20 Prozent. Auch unsere Unternehmen sind mit den hohen Energiekosten, gestörten internationalen Lieferketten und allgemein gestiegenen Preisen für Vorprodukte konfrontiert. Sie versuchen dies weitestgehend durch Rücklagen und Preiserhöhungen zu kompensieren. In vielen Fällen wird beides nur bedingt möglich sein – insbesondere nach den schwierigen Jahren der Corona-Pandemie.
Nach Einschätzung des Wirtschafts- und Landwirtschaftsministeriums zeigt die Entwicklung des Unternehmensbestandes derzeit noch keine klaren Kriseneffekte:
Eine Insolvenzwelle ist bisher ausgeblieben. Auch das Investitions- und Ansiedlungsgeschehen in Sachsen-Anhalt weist bisher keine spürbaren Auswirkungen der Krise auf. So betreut der Investorenservice der Investitions- und Marketinggesellschaft derzeit insgesamt 121 laufende Projekte mit einem Investitionsvolumen von rund 33 Milliarden Euro und mehr als 18.440 neuen Dauerarbeitsplätzen.
Auch die Anfragen nach Risikokapital bei der Innovations- und Beteiligungsgesellschaft blieben im ersten Halbjahr 2022 hoch und sind im zweiten Halbjahr nur geringfügig verhaltener. Ebenfalls sind die Auftragsbücher vieler Unternehmen weiterhin gut gefüllt, auch wenn sich die Stimmung in der deutschen Wirtschaft zuletzt deutlich eingetrübt hat, wie es auch der dieser Tage vorgestellte jüngste Konjunkturbericht der IHK Halle-Dessau dokumentiert. Demnach befürchten rund 85 Prozent der befragten Unternehmen im Landessüden wegen der hohen Energie- und Rohstoffpreise Umsatz- und Gewinneinbußen.
Die Landesregierung ist sich daher durchaus bewusst, dass viele Unternehmen in unserem Land unter großem Druck stehen; umso mehr, je größer die Energie- und Wettbewerbsintensität im jeweiligen Sektor ist.
In den vergangenen Monaten hat die Landesregierung von Produktionsreduktionen durch Unternehmen oder von einzelnen Insolvenzen in Sachsen-Anhalt erfahren. Daher habe ich mich bereits im Sommer beim Bund dafür stark gemacht, dass energieintensive Unternehmen, deren Produkte eine hohe Bedeutung für nachgelagerte Wertschöpfungsketten haben, auch im Einzelfall Unterstützung erhalten können. Ansonsten drohte, dass wichtige Schlüsselproduktionen in Deutschland verloren gingen. Dies betrifft SKW Stickstoffwerke Piesteritz als größten Ammoniak- und Harnstoffproduzenten Deutschlands, wo wichtige Produkte wie Düngemittel und der Ad-Blue-Dieselzusatz sowie Ausgangsstoffe für weitere bedeutende Chemikalien hergestellt werden. Ein weiteres Beispiel sind die Dachziegelwerke Nelskamp mit Bedeutung für die nachgelagerte Wertschöpfungskette der Bauwirtschaft.
Auch in der Landwirtschaft haben die Preissteigerungen bei den Betriebsmitteln wie Energie, Futter- und Düngemitteln die Situation enorm verschärft; besonders in Sektoren mit einem hohen Energieeinsatz wie beispielsweise im Gemüsebau oder in der Tierhaltung.
Und ähnliche Probleme findet man in vielen anderen Bereichen unseres wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zusammenlebens wieder. Seien es Kultureinrichtungen wie Theater oder Kinos, lokale und regionale Verkehrsbetriebe, Sportvereine, Hotels und Pensionen. Diese Aufzählung ließe sich noch fortsetzen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
die Geschlossenheit der westlichen Demokratien hat bisher wesentlich mit dazu beigetragen, dem russischen Angriff standzuhalten. Auch Deutschland hat die Ukraine massiv unterstützt – durch humanitäre, technische und auch militärische Hilfe. Nicht zuletzt haben wir hunderttausende Ukrainerinnen und Ukrainer aufgenommen und sämtliche Sanktionspakete der EU-Mitgliedstaaten mitgetragen.
Sowohl die Bürgerinnen und Bürger als auch die Unternehmen in Deutschland und im besonderen Maße die in Sachsen-Anhalt spüren seit einigen Monaten die Folgen dieser europäischen Solidarität. Wir alle zahlen den Preis der Freiheit. Und obwohl viele unserer Mitmenschen deshalb in großer Sorge sind, ist die Bereitschaft der Bevölkerung zur Unterstützung der Ukraine weiterhin groß.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger erwarten von uns daher, dass Land, Bund und Europa das ihnen jeweils Mögliche tun, um kurzfristige Härten auszugleichen, den gesellschaftlichen Wohlstandsverlust mittelfristig so gering wie möglich zu halten und unsere Wirtschaft angemessen zu unterstützen.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Energiepreisschock – anders als die Corona-Pandemie – wohl kein rein temporäres Phänomen bleibt. Vielmehr ist davon auszugehen, dass insbesondere die Gaspreise in Deutschland und Europa nicht mehr zu ihrem Vorkrisenniveau zurückkehren werden. Es wird infolge dieser Strukturveränderungen Geschäftsmodelle geben, die künftig nicht mehr am Markt bestehen können. Das gilt in besonderer Weise für energieintensive Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen und bei denen ausländische Konkurrenten im geringeren Umfang von gestiegenen Energiekosten betroffen sein werden. Hier sind mittel- und langfristig Anpassungsprozesse unvermeidlich, um dauerhaft am Markt bestehen zu können. Dazu gehört auch eine Veränderung des Energiemarktpreisbildungsdesigns durch die Europäische Union. Frau von der Leyen hat mir das vor 3 Wochen in Brüssel zugesagt. Nur so kann Europa, und damit auch Deutschland, weiter ein attraktiver Industriestandort bleiben!
Das bedeutet: Wir brauchen zum einen kurzfristige Hilfen, um zum Teil existenzbedrohenden Problemlagen begegnen zu können. Darüber hinaus müssen wir Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen sowie alle anderen von dieser Energiepreiskrise betroffenen Akteure mittelfristig dabei unterstützen, unter den gegebenen Voraussetzungen die zum Teil deutlich höheren Energiepreise selber tragen zu können.
Es liegt in unserer Verantwortung, die Transformation zu einer Gesellschaft zu forcieren und zu fördern, die Energie viel effizienter verbraucht, die weitestgehend unabhängig von billigen fossilen Energieträgern insbesondere aus dem Ausland ist und die sich zum Vorreiter bei der Entwicklung und Produktion von Anlagen zur Erzeugung und zur Speicherung von Erneuerbaren Energien entwickelt, aber auch weitere eigene Energieerzeugungstechnologien nutzt.
Erste kurzfristig wirkende Entlastungsmaßnahmen erfolgten bereits im Februar dieses Jahres. Ein zweites Entlastungspaket folgte noch im Frühjahr. In diesem Zusammenhang brachte die Bundesregierung eine Reihe von steuerlichen Entlastungen für Verbraucher sowie einen einmaligen Heizkostenzuschuss auf den Weg. Die EEG-Umlage ist zum 1. Juli entfallen. Familien erhielten einen einmaligen Kinderbonus und auch hilfebedürftige Leistungsempfänger erhielten eine Einmalzahlung. Zudem wurde für drei Monate das 9-Euro-Ticket eingeführt und die Kraftstoffsteuer gesenkt – der so genannte Tankrabatt.
Ein drittes, im September beschlossenes Entlastungspaket brachte neben weiteren steuerlichen Entlastungen – z. B. Abbau der kalten Progression – u. a. Rentnerinnen und Rentnern sowie Studierenden und den Fachschülerinnen und -schülern ebenfalls eine Einmalzahlung. Auch das Kindergeld und der Kinderzuschlag wurden erhöht. Insgesamt haben die Entlastungsmaßnahmen dieser drei Pakete ein Volumen von 95 Milliarden Euro. Viele dieser Maßnahmen entfalten kurzfristig Wirkung.
Auf der Konferenz der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder mit dem Bundeskanzler am 2. November haben sich die Länder mit dem Bund auf weitergehende Maßnahmen verständigt. Diese werden durch einen 200 Milliarden Euro umfassenden Abwehrschirm des Bundes getragen und punktuell durch die Länder finanziell unterstützt.
Ein Instrument, mit dem auf die Sorge vieler Mitbürgerinnen und Mitbürger, die die eigenen Heiz- und Stromkosten nicht mehr tragen zu können, reagiert wurde, ist die Strompreisbremse. Mit ihr kann, zwar auf einem höheren Niveau als vor dem Krieg, Preisstabilität sichergestellt werden. Da sich dieser Deckel nur auf das Grundkontingent bezieht und darüber hinaus Marktpreise zu zahlen sind, lohnen sich Sparbemühungen auch weiterhin. Ebenfalls sollen Netzentgelte stabilisiert werden.
Ich begrüße diesen Ansatz und bedauere zugleich, dass bezogen auf den Energieträger Gas seitens des Bundes zu lange versucht wurde, mit einer Gasumlage die Insolvenz wichtiger Gasversorger zu vermeiden. Es blieb wertvolle Zeit in der Konzeption eines entsprechenden Entlastungsinstruments ungenutzt. Dank der Expertenkommission Gas und Wärme wurde innerhalb kurzer Zeit der Ansatz einer Preisbremse bei Gas und Wärme konzipiert und durch die Bundesregierung weiter konkretisiert.
Gas- und Fernwärmekunden sollen demnach im ersten Schritt eine Einmalzahlung im Dezember in Höhe ihrer Abschlagszahlung aus September 2022 erhalten. Sie dient als Brücke bis zur regulären Einführung der Gas- und Wärmepreisbremse, die für Haushalte und kleine und mittlere Unternehmen im zweiten Schritt im März 2023 eingeführt werden soll. Sie ist so konzipiert, dass der Anreiz zum Energiesparen bestehen bleibt.
Das ist wichtig, da unser Problem ja gerade darin begründet liegt, dass wir in diesem Winter und darüber hinaus nicht so einfach bisherige Gaslieferungen aus Russland kompensieren können. Es wäre daher problematisch, wenn wir mit der Preisbremse zwar Verbraucher entlasten, damit allerdings zugleich den Anreiz zur Einsparung von Gas reduzieren würden. Schließlich hilft uns jede eingesparte kWh an Gas, diese Energiekrise gut zu überstehen. Und das soll sich dann auch finanziell für die Verbraucher lohnen.
Diese Preisbremsen werden allerdings nicht alle Haushalte und Unternehmen spürbar entlasten können. Diese sollen jedoch durch einen Härtefallfonds unterstützt werden. Zudem soll es Härtefallregeln für Krankenhäuser, Universitätskliniken und Pflegeeinrichtungen geben. Auch Nutzer anderer Heizmittel wie z. B. Öl oder Holzpellets können Härtefallmittel erhalten. Besonders wichtig waren mir persönlich zudem gezielte Hilfen für Kultureinrichtungen.
Sicher nicht zeitnah wirkend, jedoch ebenfalls Teil des Beschlusses der Ministerpräsidentenkonferenz ist das 49-Euro-Ticket, zu dem die Länder erheblich beitragen. In diesem Zusammenhang sollen die Regionalisierungsmittel zur Stärkung des ÖPNV durch den Bund aufgestockt werden. Dieser MPK-Beschluss umfasst darüber hinaus aber auch noch eine Reihe weiterer Festlegungen – so zum Beispiel auch zum Wohngeld bzw. zum Heizkostenzuschuss sowie zur teilweisen Übernahme der Kosten für die Unterbringung, Verpflegung und Integration ukrainischer Flüchtlinge in den Kommunen.
An dieser Stelle sollte auch erwähnt werden das seit Ende Februar in Sachsen-Anhalt bisher fast 29.000 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine direkt in den Landkreisen und kreisfreien Städten aufgenommen wurden, darunter sind 2.800 Kinder im Kindergarten- und 6.900 Kinder im schulpflichtigen Alter. Die Kommunen, dabei besonders die Städte Halle und Magdeburg, stehen vor der immer größer werdenden Herausforderung, die Geflüchteten in angemessener Weise dezentral unterzubringen. So fällt es Land und Kommunen zunehmend schwerer, weitere angemessene Unterkünfte zeitnah zu beschaffen, um die Nutzung von Notunterkünften zu vermeiden. Der Bund unterstützt Kommunen und Länder zwar bei der Aufnahme der Kriegsflüchtlinge. Allerdings reichen die bisher dafür zur Verfügung gestellten bzw. verabredeten Mittel nicht aus, um die Kosten vollständig zu decken. Daher werden wir zusammen mit den anderen Bundesländern in 2023 auf weitere Erhöhungen drängen müssen.
Für viele der von mir zuvor beschriebenen Maßnahmen fehlen bisher noch die vom Bund auszuarbeitenden Details zur genauen Ausgestaltung und zur Finanzierung. Als Landesregierung können wir daher die daraus für den Landeshaushalt resultierenden Mehraufwendungen bisher nur grob abschätzen. Auch bleibt abzuwarten, inwieweit diese Maßnahmen ausreichen, um Bedürftige angemessen zu entlasten. Die Landesregierung ist mit dem Bund im Austausch, auch um eventuelle offene Lücken bzw. Härten zurück zu spiegeln.
Beispielsweise fragen wir uns, ob die Maßnahmen ausreichen, um die Kostenlast der Wohnungswirtschaft und der Verkehrsträger des ÖPNV in Sachsen-Anhalt ausreichend zu mindern. Gleiches gilt ebenfalls beispielhaft für soziale Einrichtungen, für Träger der Kinder- und Jugendhilfe oder der Eingliederungshilfe, für Pflegeeinrichtungen, Krankenhäuser, ambulante medizinische Angebote und Apotheken oder für unsere Hochschulen und wissenschaftlichen Einrichtungen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
ich sagte es eingangs: Die Landesregierung wird das ihr Mögliche tun, um die negativen Auswirkungen des Krieges in der Ukraine auf die Bürgerinnen und Bürger, die Kommunen, die die Unternehmen sowie viele weitere Akteure in unserem Land so weit wie möglich zu begrenzen.
In etwa einer Stunde wird Kollege Richter den Haushalt für das kommende Jahr einbringen. Er wird dabei auch darstellen, wie schwierig sich die Haushaltsaufstellung in Anbetracht der Unsicherheiten und Kosten, die diese Krise mit sich bringt, gestaltete. Und er wird deutlich machen, dass wir auch Vorsorge treffen, um die aus der Einigung zwischen Bund und Ländern ergebenden Mehraufwendungen darzustellen und zudem eventuelle Lücken und Härten reduzieren bzw. mindern zu können.
Insgesamt wird die Landesregierung im kommenden Haushaltsjahr zur Abmilderung der Folgen des Krieges in der Ukraine rund 1,5 Milliarden Euro bereitstellen. Das veranschaulicht, dass das Land auch in dieser Situation handlungsfähig ist und bleibt.
Sachsen-Anhalt hatte sich u. a. im Rahmen der Ministerpräsidentenkonferenz zudem dafür stark gemacht, dass Bund und Länder die durch den russischen Aggressionskrieg gegen die Ukraine verursachte außergewöhnliche gesamtstaatliche Notsituation gemeinsam und übereinstimmend feststellen. Dies hätte die Finanzierung der Hilfs- und Entlastungsmaßnahmen über Kredite erleichtert. Bisher ist der Bund hierzu jedoch nicht bereit.
Die ergriffenen wie auch die bereits beschlossenen Maßnahmen zur Milderung der Folgen dieser Energiekrise haben auch eine europäische Dimension.
Der gemeinsame EU-Binnenmarkt ist nicht nur ein wesentlicher Grund für das untereinander abgestimmte Sanktionsregime der Mitgliedstaaten der EU gegenüber der Russischen Föderation sowie gegenüber der Republik Belarus, sondern auch der Rahmen für europäische, nationale und gar regionale Unterstützungsmaßnahmen.
Beispielsweise hat die Europäische Kommission am 28. Oktober den seit März geltenden Krisenrahmen um ein Jahr bis zum 31. Dezember 2023 verlängert, der es den Mitgliedstaaten ermöglicht, Erleichterungen bei den Beihilfevorschriften zur Unterstützung der Wirtschaft zu nutzen.
Sachsen-Anhalt profitiert zudem auch davon, dass wir uns gerade am Beginn der aktuellen EU-Förderperiode befinden, in der wir als Land Schwerpunkte auf eine stärkere Energieeffizienz bei Gebäuden und in Unternehmen, auf Klimaschutz, CO2-Reduktion, Innovation und Qualifizierung legen.
Beispielsweise stehen im EFRE in der anlaufenden Förderperiode 2021 bis 2027 mehr als 230 Millionen Euro für Maßnahmen zur „Förderung von Energieeffizienz und Reduzierung von Treibhausgasemissionen“ sowie 72 Millionen Euro zur „Entwicklung intelligenter Energiesysteme, Netze und Speichersysteme“ zur Verfügung.
Mittels des erst im Oktober bestätigten JTF können zudem weitere 150 Millionen Euro EU-Mittel für Maßnahmen zur Förderung der Nutzung grünen Wasserstoffs sowie im Sinne einer verbesserten Ressourceneffizienz eingesetzt werden.
Darüber hinaus hat die EU-Kommission Erleichterungen für die Umsetzung von Erneuerbare-Energien-Projekten, den flexibleren Einsatz von EU-Mitteln oder weitere Ausnahmen beim Beihilferecht zu Gunsten energieintensiver Unternehmen ermöglicht.
Generell ist eine europäische Koordination in verschiedenen Fragen hilfreich. Dies betrifft die Abstimmung von europäischen und nationalen Maßnahmen, ein koordiniertes Handeln beim Einkauf von LNG oder die gerechte Verteilung von mit der Krise verbundenen Lasten, beispielsweise aufgrund von Flucht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
es bleibt festzuhalten: Auch wenn die bisherige Dimension der Entlastungspakete bemerkenswert ist, kann es lediglich gelingen, einen Teil der Teuerung auszugleichen. Eine vollständige Kompensation der Preisanstiege würde selbst einen finanzpolitisch soliden Staat wie Deutschland überfordern. Das Schnüren fortlaufend neuer Entlastungspakete löst letztlich das Energieproblem nicht. Wenn es uns also nicht gelingt, in grundsätzlicher Weise unsere Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu überwinden, wird ein Wohlstandsverlust unvermeidlich sein.
Dennoch helfen uns diese Maßnahmen kurz- und mittelfristig, die hohen Belastungen vor allem durch steigende Energiekosten, die sowohl Bürgerinnen und Bürger als auch Unternehmen und Institutionen treffen, zu bewältigen. Dabei macht es finanzpolitisch Sinn, damit verbundene Ressourcen vor allem auf Akteure zu konzentrieren, die entsprechender Hilfe bedürfen.
Zugleich sollten wir in dieser unmittelbaren Krise auch auf dem Schirm behalten, dass wir diese vor allem dann nachhaltig bewältigen werden, wenn wir
unsere Abhängigkeit von fossilen Energieressourcen reduzieren. Mit Blick auf die weiteren Zukunftsherausforderungen, die sich auch aus der Klimakrise ergeben, macht es daher besonders
Sinn, auf eine höhere Energieeffizienz und nachhaltige Wirtschaftskreisläufe und erneuerbare Energien zu setzen. Wenn uns das gelingt, kämen wir aus dieser Krise gestärkt hervor.
Insgesamt stellt diese Krise daher auch eine Chance für uns dar, da sie das Potential hat, notwendige Transformationsprozesse in Wirtschaft und Gesellschaft zu
beschleunigen.
Vielen Dank!
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